Stirling Mk. III, EF-155 IC-O, 623 Squadron Royal Air Force 

Absturzstelle Edenkoben

18.11.1943


In der Nacht vom 18. auf 19. November 1943 stürzte zwischen Edenkoben und St. Martin ein englischer Bomber vom Typ Stirling III in den Pfälzer Wald. Es handelte sich um Stirling Bomber EF 155, Kennung IC-O, von der 623. Squadron der Royal Air Force, der am 18. November um 17:20 Uhr vom englischen Flugplatz Downham Market in Norfolk, im Osten von Großbritannien, gestartet war. Über dem Zielgebiet war das Flugzeug  durch Flak getroffen worden. Der deutsche Nachtjägerpilot Hans-Georg Birkenstock (NJG6) verbuchte den finalen Abschuss schließlich für sich. Von der 8-köpfigen Besatzung wurden fünf Mann getötet. Drei Insassen gerieten in Gefangenschaft. Die gemischte Commonwealth-Besatzung bestand aus fünf englischen, zwei australischen und einem kanadischen Besatzungsmitglied(ern).



Die Besatzung bestand aus dem Piloten Flight Lieutenant John Philipp Henry Wallace (RAAF, Service No. 413464), Flying Officer Douglas Hartley Petch (RCAF, Service No. J/14027), Flying Officer (Flugingenieur) John W. Windle (RAF, Service No. 651682), Flying Officer (Navigator) N. Lampard (RAF, Service No. 134706), Sergeant T. V. Lewis (RAF, Service No. 1313601), Pilot Officer (Schütze) William Gordon Moore (RAF, Service No. 420900), Pilot Officer Frank Markham (RAF, Service No. 161356), und Bombenschütze Sergeant Ronald Luscombe Gill (RAF, Service Nr. 1459774). Flying Officer Lampard, Flying Officer Windle und Sgt. Lewis überlebten den Absturz. Flying Officer Windle und Flying Officer Lewis waren gerade noch rechtzeitig mit dem Fallschirm abgesprungen. Flying Officer Lampard überlebte den Absturz,  obwohl er bis zuletzt in dem Flugzeug geblieben war. Er wurde beim Aufprall aus dem Flugzeug herausgeschleudert und fand sich im Wald, verletzt zwischen brennenden Wrackteilen, wieder.



Flying Officer John Windle. Bildquelle: Hr. Richard Braun

John Windle erinnerte sich: 

„Ich stand an der Astrodome und hielt nach deutschen Jägern Ausschau, als wir getroffen wurden. Die Wucht des ersten Aufpralls warf mich zur Seite. Die beiden inneren Triebwerke wurden durch eine Flak-Salve getroffen, die direkt unter dem Flugzeug explodierte. Durch den Leistungsverlust gingen wir in einen Sturzflug über und das Flugzeug geriet außer Kontrolle. Ich konnte nicht aufstehen und mich zur Notluke vorarbeiten. Allmählich und mit übermenschlicher Kraft brachte der Kapitän (Wallace) das Flugzeug wieder auf Kurs. Der Kapitän gab dem Bombenschützen den Befehl, die Bombenladung abzuwerfen. In scheinbar wenigen Sekunden hatten wir 10.000 Fuß verloren und befanden uns nun in 4.000 Fuß Höhe über dem Ziel, der Flak ausgeliefert. Es gelang uns, das Zielgebiet zu verlassen.  Es wurde bald klar, dass wir uns in einer hoffnungslosen Lage befanden. Durch den Ausfall beider inneren Triebwerke, die heftig brannten, konnten wir die Höhe nicht halten. Widerstrebend gab der Kapitän den Befehl zum Absprung. Ich ging langsam zurück zur Notluke. Ich war überrascht, dass ich als Erster dort war. Ich öffnete die Luke und sah mich einer Flammenwand gegenüber; die brennenden Motoren erzeugten im Windschatten einen Schweißbrennereffekt. Ich hielt mich am Türrahmen fest und sprang mit dem Kopf voran heraus. Als ich die Reißleine zog, schwang der Fallschirm nur einmal, bevor ich aufsetzte.“ 


F/O Lampard. Bildquelle Hr. Richard Braun

Navigator Flying Officer Lampard erinnerte sich an die Ereignisse dieser Nacht:

“ … Ich saß am Navigator-Tisch, als wir getroffen wurden. Eine Flaksalve explodierte direkt unter der Nase, durchlöcherte den Rumpf im Bereich des  Bombenschützen. Ein eisiger Wind fegte hinein, es war sofort offensichtlich, dass das Flugzeug schwer beschädigt war. John, der Skipper (John Wallace), gab den Befehl zum Aussteigen. Dann meldete Ron, der Bombenschütze (Ronald Gill), über die Gegensprechanlage, dass die vordere Luke klemmt. Ich ging nach vorne, um zu helfen, die Wucht der Explosion der Flak hatte die Luke fest verschlossen. Da ich die Luke nicht öffnen konnte, kehrte ich ins Cockpit zurück, wo ich John darüber informierte, dass die Luke klemmt. Ich stand etwas hinter John und dem kanadischen zweiten Piloten (Douglas Petch) und wartete auf den unvermeidlichen Crash. Ich kam wieder zu Bewusstsein, als ich in einem Waldgebiet lag, das mit den brennenden Überresten meines Flugzeugs übersät war. Ich hatte erhebliche Schmerzen, aber meine Gedanken waren klar, ich erkannte, dass ich versuchen sollte, Schutz zu suchen, da ich Angst vor Explosionen der Bordmunition hatte. Nach gefühlten Stunden gelang es mir, mich in ein abgelegenes Bauernhaus zu schleppen. Als sich mein Zustand verschlechterte, beschloss ich, an die Tür zu klopfen, um Hilfe zu bekommen. Die Bewohner nahmen mich auf und versorgten meine Wunden. Ich war mir des Ausmaßes meiner Verletzungen nicht ganz bewusst, aber es war offensichtlich, dass ich dringend medizinische Behandlung brauchte. Innerhalb kurzer Zeit kam ein Militärlastwagen und deutsche Soldaten hoben mich kurzerhand auf die Ladefläche des Lastwagens. Ich wurde sofort in ein örtliches deutsches Krankenhaus gebracht, wo ich versorgt wurde. Ich erinnere mich vage daran, dass ich meinen Flugingenieur John Windle auf der Ladefläche des Lastwagens gesehen habe ...”


Förster Hr. Ludwig Vatter, Forsthaus Heldenstein

Flying Officer Windle und Sgt. Lewis, die beide verletzt waren, irrten nach ihrer Fallschirmlandung eine Nacht im Wald herum, bis sie bei Forsthaus Heldenstein an die Tür klopften. Dort stießen sie auf den Förster Ludwig Vatter. Er versorgte die beiden Flieger. Die beiden blieben zwei Tage, wo Windle sogar beim Holz hacken half.  Vatter hätte Windle gerne behalten, aber nach zwei Tagen musste er die beiden aber dann doch der Polizei melden. Flying Officer Windle wurde in das Kriegsgefangenenlager StaLag 4B (Stammlager Mühlberg/Elbe) verbracht (POW-Nr. No: 263522). Dort kontaktierte er die Behörden und teilte mit, dass Flying Officer Lampard und Sgt. Lewis am Leben waren, aber verletzt im Hospital lagen. Flying Officer Lampard wurde schließlich in das Kriegsgefangenenlager StaLag Luft 1 (Barth) verbracht, POW (Prisoner of War/Kriegsgefangenen-)No.1678, und Sgt. Lewis, der zunächst wg. Schädel-,Rippen- und Knochenbrüchen, die er sich bei der Fallschirmlandung im Wald zugezogen hatte, fast ein Jahr im Hospital lag, kam schließlich ins StaLag Luft 3 (Sagan, Belaria), POW No: 43163.




Förster (l.), Herr Braun (r.)

Die fünf gefallenen Flugzeuginsassen wurden vorübergehend auf dem Edenkobener Friedhof erstbestattet. Nach dem Krieg, am 16.04.1948, wurden sie durch die alliierten Behörden umgebettet und nach Rheinberg bei Duisburg auf einen alliierten Sammelfriedhof verbracht, wo sie heute noch ruhen. 

Nach dem Krieg geriet die Absturzstelle in Vergessenheit. Bis ein Zeitzeuge, Herr Braun aus Ludwigshafen am Rhein, mehr über den Absturz erfuhr, und selbst anfing zu forschen. In Zusammenarbeit mit Herr Erwin Folz, ebenfalls ein Historiker aus Ludwigshafen, kam es sogar soweit, dass sie eine der Überlebenden, John Windle, ausfindig machten. John Windle war nach dem Krieg zunächst auf eigene Faust nach Edenkoben gereist, um den Ort zu besuchen, wo sein Flugzeug abgeschossen worden war. Er sollte daraufhin alle Jahre wieder Edenkoben besucht haben.



Herr Braun, Herr Folz und Herr Windle sind mittlerweile leider alle verstorben. Aber  bevor Herr Braun aus Ludwigshafen in 2019 verstarb, gab er alle Infos über den Absturz an uns, die IG Heimatforschung RLP, weiter. Herr Braun zeigte mir mehrere Absturzstellen aus dem Zweiten Weltkrieg, wie auch die Stelle bei Edenkoben. Bei einem Vor-Ort-Termin besuchten wir die Stelle, an der Herr Braun selbst einige Kleinteile des Flugzeugs im Wald gefunden hatte. Er übergab auch eine seiner Karten aus 1990, auf der  er die ungefähre Absturzstelle des Stirlings fein säuberlich markiert hatte. Ich nahm mir vor, diese Stelle in Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde in Zukunft detailliert zu untersuchen und, wenn möglich, nach Ende der Arbeiten vor Ort, dort einen Gedenkstein zu realisieren.

 

Aber dann kamen Ende 2019 mehrere Jahre mit dem vielerseits einschränkenden Einfluss von Covid-19 und das Projekt musste zunächst verschoben werden. Bis sich schließlich ein Reporter der Rheinpfalz bei mir meldete, dass ein Wanderer einen englischen Feuerlöscher, der offensichtlich von einem Flugzeug stammte, im Wald bei Edenkoben gefunden hätte. Kontakte wurden geknüpft und nicht viel später standen der Finder und ich am Fundort des Feuerlöschers, an einem bewaldeten Hang zwischen Edenkoben und St. Martin.



An dieser Stelle waren lt. dem Finder auch noch einige andere Kleinteile gefunden worden. Das Gelände war an dieser Stelle recht steil, und da einer der Insassen (Lampard) den Absturz überlebt hatte, stützten wir uns auf die Annahme, dass dieser Feuerlöscher evtl. bei der ersten Baumberührung aus dem Flugzeug gefallen sein könnte (ich kannte das von zwei vergleichbaren Wald-Abstürzen an einem Hang bei Hardenburg und Leistadt, wo die eigentliche Absturzstelle mehrere hundert Meter lang war). Und die eigentliche Absturzstelle höher bzw. weiter weg lag. Hier bei Edenkoben handelte es sich wohl eher um eine flachere Stelle, wo man einen Absturz vermutlich eher (wie Flying Officer Lampard) überleben konnte. An dem Fundort des Feuerlöschers war es nämlich dermaßen steil, dass dort wohl kaum jemand überlebt haben dürfte. 


Also entschieden wir uns, den Hang im oberen Bereich genauer anzusehen. Nach kaum 10 Minuten fanden wir plötzlich ein Flugzeugteil nach dem anderen, bis schließlich weiter oberhalb, auf einer recht flachen Stelle bzw einem kleineren Plateau, sehr viele Flugzeugteile an der Oberfläche lagen. Diese Stelle stimmte im nachhinein in etwa mit der Stelle überein, die Herr Braun in den 1990er Jahren auf seiner  Karte markiert hatte. Da diese fundreiche, recht flache Stelle, außen herum wieder von steilerem Gelände geprägt wurde, spricht viel dafür, dass dies die endgültige Ruhestätte des Flugzeugs und der Besatzung war, und die Stelle war, an der Flying Officer Lampard aus dem Flugzeug geschleudert worden war und überlebt haben könnte. Dies wird nun durch eine detaillierte Untersuchung des gesamten in Frage kommenden Geländes geklärt werden. Es gilt nun, detailliert herauszufinden, in wieweit sich das Trümmerfeld erstreckt, damit die genaue Ruhestätte des Flugzeugs ermittelt werden kann. Dies ist, in enger Zusammenarbeit mit der GDKE (Generaldirektion Kulturelles Erbe), für 2026 geplant.  



Nach Abschluss der Arbeiten und nachdem alle Familien der Besatzung in Australien, Großbritannien und Kanada kontaktiert wurden, ist im Rahmen des World War II Memorial Projects ein Gedenkstein geplant.                              Erik Wieman


Wird fortgesetzt!